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Enterbung: einfacher gesagt als getan

In mancher Familie gibt es ein schwarzes oder zumindest graues Schaf. Häufig ist auch der Fall, dass Ehepaare in einemlangwierigen Scheidungsverfahren stecken und dabei um Unterhaltszahlungen und güterrechtliche Ansprüche kämpfen. Gerade diese Ehegatten tun sich schwer mit dem Gedanken, dass der nunmehr ungeliebte Ehepartner bis zur Rechtskraft der Scheidung erbberechtigt bleibt.

Verfügungsfähigkeit und Pflichtteil

Jeder Erblasser ist grundsätzlich frei seine Erben selber zu bestimmen. Grenze dieser Freiheit ist indessen das Pflichtteilsrecht naher Angehöriger. Dazu gehören der Ehegatte, die Kinder und wo keine Kinder vorhanden sind die Eltern. Ein Pflichtteilsrecht der Geschwister besteht seit längerem nicht mehr.

Der Pflichtteil errechnet sich als Bruchteil des gesetzlichen Erbteils. Hat ein Ehepaar beispielsweise Kinder, beträgt der Pflichtteil des anderen Ehegatten 2/8 des Nachlasses. Neben dem ebenfalls zu berücksichtigenden Pflichtteil der Kinder von 3/8 verbleibt dem Erblasser so eine frei verfügbare Quote von 3/8. Nur in diesem Umfang kann er andere Erben einsetzen, Vermächtnisse ausrichten oder einzelne Erben begünstigen.

Strafenterbung

Der Pflichtteil kann nur geschmälert oder ganz entzogen werden, wenn ein gesetzlicher Enterbungsgrund vorliegt. Dieser muss in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich, genau und detailliert genannt werden, ansonsten die Enterbung anfechtbar ist.

Ratsam ist auch das Aufführen von Beweismitteln, welche den Enterbungsgrund dokumentieren. Doch welche Gründe berechtigen nun den Erblasser zur Enterbung? Klar ist, dass nicht jedes unerwünschte Verhalten eine Enterbung rechtfertigt. Das Gesetz nennt als Enterbungsgründe schwere Straftaten gegen den Erblasser oder eine ihm nahe verbundene Person, oder schwere Verletzung familiärer Pflichten (Art.477 ZGB).

Die Gerichtspraxis beurteilt eine angefochtene Enterbung immer anhand der Umstände des konkreten Falles ,den Sitten und Anschauungen des betreffenden Personenkreises und würdigt auch das Verhalten des Erblassers selber.

Von der Praxis anerkannt wurden:

  • umfangreiche Veruntreuungen, aufwendiger Lebenswandel und betrügerisch aufgenommenes Darlehen, welche finanzielle Notlagen verursachten;
  • Unterschlagen eines Darlehens in einer Erbteilung;
  • ungerechtfertigt erhobene Strafanzeige;
  • wiederholt angezweifelte Vaterschaft trotz gegenteiligem Gutachten;
  • mehrfacher Ehebruch sowie Verlassen von Ehemann und drei schulpflichtigen Kindern.

Von der Praxis verneint wurde die Enterbung bei:

  • Beschimpfung und einfacher Ehrverletzung;
  • Kontaktabbruch (Grenzfall);
  • gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Erblasser und Erbe.

Zu bedenken bleibt, dass das Verteilen von Denkzetteln auf das eigene Ableben hin dem postmortalen Familienfrieden kaum zuträglich ist. Was dem Enterbten entzogen wird, kommt einem anderen Erben zu und Konflikte zwischen sind damit vorprogrammiert.

Präventiventerbung

Ist ein Erbe überschuldet und bestehen Verlustscheine, kann das Familienvermögen teilweise gesichert werden, indem die Hälfte seines Pflichtteils dessen Nachkommen zugewendet wird. Die Präventiventerbung bezweckt den teilweisen Vermögensschutz vor Gläubigern.

Wird ein überschuldeter Erbe komplett enterbt, können sich die Konkursverwaltung oder Gläubiger, welche Verlustscheine besitzen, zur Wehr setzen. Sofern der Erbe seinen Pflichtteil nicht selber mit Herabsetzungsklage geltend macht, können dies die Gläubiger an seiner Stelle tun, sofern dies zur Deckung der Forderungen erforderlich ist.

Will man trotz bestehender Verlustscheine eines Erben doch nicht zum Mittel der (teilweisen) Enterbung greifen und steht eine Erbschaft in Aussicht, lohnt es sich, vorsichtig abzuklären,
ob nicht ein aussergerichtlicher Nachlassvertrag mit sämtlichen Gläubigern abgeschlossen werden kann oder die Verlustscheine vergünstigt zurückgekauft und gelöscht werden können.